Wieso heisst der Bitziägger eigentlich Bitziägger?
Am vergangenen Museumssonntag, hat Jakob Brüschweiler eine Erzählstunde zu den Flurnamen von Amriswil und der nahen Umgebung abgehalten. Und das Interesse an der Thematik war gross. So war Full House im Amriswiler Ortsmuseum.
Die Flurnamen beziehen sich meist auf den geschichtlichen Hintergrund des Gebietes. Deshalb sind die Namen nicht einfach so zu erklären, sondern benötigen einen Schwank in die Geschichte. Im Jahr 500 n. Chr. kamen die Alemannen nach Amriswil. Etwa im Jahr 600 dürfte es die heutige Stadt als damaliges kleinstes Dorf bereits gegeben haben. In diesen rund 100 Jahren gab es aber einiges zu tun, bis eine Ansiedlung überhaupt möglich war.
Wie der Bauer zum Boden kam
Die ehemals freien alemannischen Bauern standen unter der Obhut der weltlichen geistlichen Herrschaft. Später fand eine Transformation vom freien Bauern zum Leibeigenen statt. Dies blieb bis zur Französischen Revolution beibehalten. Mit dem Einmarsch von Napoleon wurde die alte Ordnung aufgelöst. Bis dahin wurde der Bauer von der Obrigkeit kolonisiert. Konkret wurde gearbeitet, bis das Blut unter den Fingernägeln herauspochte. Die Bauern waren ausgeliefert und genossen keinerlei Freiheiten. Amalger hat während dieser Zeit von seinem Herzog die Erlaubnis erhalten, in der Einöde, dem Urwald (heutiges Amriswil) zu siedeln. Ein fürchterlicher Sumpf, vernässtes, überwuchertes Gebiet mit allen möglichen Tieren- und Pflanzenarten. Um ansiedeln zu können, musste der Urwald weichen. Ohne Motorsäge und ohne Bulldoser versteht sich. Bäume wurden im Winter geringelt, also an der Rinde beschädigt, so dass sie beim nächsten Austreiben absterben, austrocknen und dann gefällt werden können. Dann wurde das Gebiet abgeflammt und schliesslich die Baumstorzen in mühseliger Handarbeit ausgegraben, das Feld von Wurzeln und Steinen befreit und begradigt. Schon aus dieser Zeit stammen die ersten Flurnamen. Namen wie Stocken, Stockete, Stockenagger, Brand, Brandrüti, Sangen, Sangi, Steinagger, Sandagger, Eerlosen oder Schwendi – all diese Namen geben einen Hinweis darauf, wie man damals zum wertvollen Boden gekommen ist. War das Feld bereit zum Bewirtschaften, wurden die Flächen nach einem bestimmten System aufgeteilt. Auch diese dörflichen Nutzungsbereiche schlagen sich in der Namensgebung wieder. So gab es den dörflichen Bereich als Zentrum, rundherum Ackerflur und Reben und schliesslich die Wälder und Weiden, also die Allmend. Das Zentrum wurde meist von einem sogenannten Etter oder Hag eingezäunt, um es vor Tieren zu schützen. Daher zum Beispiel auch der Name Hagenwil. Da es damals noch kein Grundbuch gab, mussten die Flure möglichst klar benannt sein. So wurden die Namen nach der Art der Urbarmachung (Reuten, Stocken, Schwenden, etc.), der Art der Nutzung (Huswees, Langacker, etc.), nach der rechtlichen Ordnung (Herrenacker, Pfaffenwees, Choretswes – abgeleitet vom Namen Kurt – Freihof, etc.), nach der Art, was dort gemacht wurde (Bleiche), nach der Topografie (Egg, Büel, Sulz, Etter) oder nach der Fläche (Zelg, Hub, etc.) gewählt. So auch in Amriswil.
Hier einige Beispiele, woher die hiesigen Flurnamen stammen:
Lohhalden: Lohnamen trifft man in der Nähe von Gewässern an, Loh ein feuchtes Wäldchen
Maihalden: Haldenwiese von Familie Maier
Suunäscht: Wildschweine waren da oder man hat die Schweine dort gehalten
Hubholz: Wäldli, das zu einer Hub gehört hat
Hub: Fläche Land, die eine Bauernfamilie brauchte, um zu existieren
Chillwiese: Ableitung vom Familienname
Keller, Wiese der Familie Keller
Pündtwiese, Bitziägger: Pündt kommt von Gebinde, etwas eingezäuntes, Bitzi kommt von bezäunen, also auch eingezäuntes Gebiet
Sulz: nasse Wiese, Bezug auf Hegibach
Schmidtewees: Berufs- oder Familienname
Fronwees: Die Wiese der Herren
Hau: Reserviertes Stück Holz, das man für die Brennholzgewinnung brauchte
Guggeien: Aussichtspunkt, Erhebungen
Bilchen: Altes Wort für Birken
Muren: Beim Bach Weidengeflecht erstellen, damit der Bach das Ufer nicht angreift
Hohagger (siehe Bild): Terrassen entstanden durch das Pflügen
Geeren: Geometrische, spitzige Form von Land, abgeleitet vom alemannischen Wurfspeer
Herrenagger: Gehört den Schlossleuten
Kreuzagger: Acker biem Wegkreuz
Staffele: Extrem hügeliger Hochacker
Saale: Dort sind Weiden gewachsen
Einfang: Etwas, das eingezäunt ist
Hebeläcker: Hebel ist die alte Bezeichnung für Hefe, also Wiese, die dem Bäcker gehörte
Vogelherd: Landstück, auf dem der Vogelfänger Vögel gefangen hat
Wurstel: Zusammengeschrumpfter Name für Burgstell
Bürglewes: Burgwiese
Watten: Feuchtes Gebiet